Offener Brief an niedergelassene Kassenärzte!

Wer neue Ziele erreichen will, muss alte Ufer verlassen! Diese alte Weisheit ist noch nicht zu der breiten Ärzteschaft mit Kassenzulassung durchgedrungen.

Heute vor 11 Jahren, am 26. April 2007 ging unsere Webseite „Patient informiert sich“ online. Genau an diesem Tag, saß ich in einem Reisebus auf dem Weg in die berufspolitische Welt der niedergelassenen Kassenärzte. Heute vor 11 Jahren begann für mich eine Reise, die ich heute beenden werde.

Mit dem Bus fuhr eine Gruppe Hausärzte nach Nürnberg in die Meistersingerhalle. Überall um mich herum klagten Ärzte und Ärztinnen über ihre Situation. Sie schimpften und fluchten über ein Gesundheitssystem, in dem sie sich als Gefangene sahen. Sie hatten Angst um ihre Zukunft, denn die Entscheider hatten sie an der Kehle gepackt und drückten ihnen die Luft ab. Die Honorare waren schlecht und was ich in diesem Bus hörte, machte mir Sorgen: viele Existenzen und Praxen stehen vor dem Ende, so hieß es.

Heute im Jahr 2018 – also 11 Jahre später – höre und lese ich vonseiten der Ärzteschaft genau dasselbe wie 2007. Jedoch haben viele, die damals groß tönten, die Lager gewechselt. Sitzen inzwischen als gut dotierte Funktionäre in den Gremien und festigen die Systemfehler für die eigene Besitzstandwahrung.

Ärzte sind es, die Kollegen und Kolleginnen in die Gremien der KV en und deren Vorstände wählen. Die KVen wiederum verhandeln mit den Krankenkassen die Honorarhöhe. Sie arbeiten mit Zuckerbrot und Peitsche. Mahnen ab, entscheiden über Regresse und Kassenzulassungen. Überweisen die sicheren monatlichen Abschlagzahlungen für die Behandlung von Kassenpatienten. Also es liegt nicht am Patienten, wie viel für seine Behandlung bezahlt wird, sondern an der Verhandlungsführung der Ärztevertreter!

Die Auseinandersetzung mit den Kernfragen des Systems fand nie statt. 2008 und 2009 gab es einen Versuch, mehr nicht! Danach gab es nur ein Zurückrudern. Alle Jahre wieder kooperieren die Delegierten der Ärzteschaft bis zur Harmlosigkeit mit ihren Funktionären. Die Masse der Ärzte/innen bleibt Zuhause und formuliert den Frust in sozialen Netzwerken. Am Rande wird – ebenso wie jedes Jahr – der Finanzier des Systems, der Kassenbeitragszahler als Produkt und als Objekt wahrgenommen! Kein einziger Kassenpatient, ob männlich oder weiblich, hatte jemals Einfluss auf die Bezahlung ärztlicher Leistung von Kassenpatienten.

Für mich steht einmal mehr fest: Die Situation der Ärzte, die sie seit zig Jahren  berechtigt bemängeln, haben sie selbst verschuldet! Und zwar als inhomogene Zunft der Inkompetenz in Sachen Solidarität, aufgrund von Feigheit und einer, für mich nicht nachvollziehbaren Portion Opportunismus. Die ärztliche Selbstverwaltung KV ist ein Millionen teures System mit völlig überbezahlten Vorständen. KV en gibt es nur bei uns, sonst nirgends auf der ganzen Welt! Sie sind für mich so überflüssig wie ein Blinddarm. Solange sich die Ärzteschaft diesen aufgezwungenen Verwaltungsmoloch ohne massive Gegenwehr leistet, ist für mich jede weitere Honorardiskussion völlig absurd!

Diese vergangenen 11 Jahre meines Lebens habe ich nachweislich immer und immer wieder versucht, den Schulterschluss zwischen Ärzten und Patienten zu organisieren. Für mich die einzige Möglichkeit dem Wahnsinn dieses Gesundheitssystems die Stirn bieten zu können.

Doch längst hat sich der überwiegende Teil der niedergelassenen Kassenärzte  diesem vorgegebenen perfiden, verlogenen Spiel um Macht und Geld angepasst und untergeordnet. Die Minderheit in der Ärzteschaft kämpft auf verlorenem Posten und zwar durch mangelnde Solidarität untereinander.

Darum sind diese Jahre auch meine Geschichte mit dem System und dem Versuch, es zu thematisieren und zu ändern. Der Schulterschluss ist aufgrund der Instrumentalisierung von uns Patienten gescheitert. Die Medikamente, die diesem Gesundheitswesen als politische Reformen gespritzt werden, bringen Kassenpatienten, die krank, alt, oder behindert sind, rein gar nichts! Sie nutzen nur denjenigen, die das Gesundheitswesen schamlos benutzen, um Reibach zu machen.

In diesen Jahren bin ich viele Risiken eingegangen, um dem Wahnsinn im System, den wir als Patienten ausbaden, die Stirn zu bieten. Das alles wäre eigentlich Aufgabe der Ärzte gewesen. Hunderte von Ausreden kenne ich, weshalb Ärzte die immer hässlichere, berufspolitische Welt akzeptieren. Wenn es darauf ankommt, wird umgeschwenkt in das Drei Affen Syndrom – anstatt mutig die Augen zu öffnen. Durch dieses durchgängige Angepasst sein, die mangelnde Positionierung, und verloren gegangene Streitkultur in der Sache, haben sich zu viele Ärzte längst zu Handlangern in der Schmierenkomödie gemacht, die sich „Gesundheitssystem“ nennt! Keine Frage, ich kenne das miese Programm. Weiß sehr genau was Budetieren, Regress und Abrechnungsziffern bedeuten. In meinen Büchern zum Thema habe ich immer und immer wieder davor gewarnt wohin die Reise geht, wenn wir diese Entwicklungen einfach so stehen lassen und uns nicht offen einmischen! Mit jedem Tag der vergeht, werden diese Warnungen immer schneller Realität!

Ich will nicht mehr warten, bis endlich jemand die Notbremse zieht gegenüber Ärztefunktionären, die an allen Entscheidungstischen sitzen und mitbestimmen. Ich werde meine Energie nicht mehr einsetzen, um über Stolpersteine der ärztlichen Berufspolitik zu publizieren. Auch nicht um Ärzte zu entschuldigen, oder um Verständnis für ihre Situation zu werben. Die Ärzte befolgen wie Lemminge, die Vorgaben zum Schaden von uns allen. Wehren sich nicht und werden immer mehr zu zahnlosen angepassten Tigern im Gesundheitssystem.

Hiermit verabschiede ich mich heute aus diesem Hamsterrad der ärztlichen Berufspolitik und wünsche jedem einzelnen Kassenarzt Mut, der Realität ins Auge zu sehen.