Patientenleben als Abrechnungsziffer

Patientenleben als Abrechnungsziffer

 

Was für ein Gefühl, wenn wir von den eigenen Warnungen überholt werden? Genau das erlebe ich. Von 2007 – 2012 recherchierte ich in die Tiefen unseres Gesundheitssystems. Schrieb vier Bücher, hielt dutzende Vorträge bis hin zur Massenkundgebung im Olympiastadion München benannte unmissverständlich die Stolpersteine im System, in dem Arzt und Patient gleichermaßen auf den Schreibtischen von Politikern und Bürokraten geopfert werden. Und nun erlebe ich sie als Patientin – die Folgen von übergangenen, verdrängten und mit Lügen gerechtfertigten Systemfehlern! Da ich Jahre meines Lebens einsetzte um vor diesen Entwicklungen zu warnen, bin ich nicht bereit dies einfach so hinzunehmen und werde hier nacheinander meine Erfahrungen zur öffentlichen Diskussion stellen. RH

Teil 2 Schlüsselerlebnis und die Folgen

Patientenleben als Abrechnungsziffer

Die oft gestellte Frage, wie ich zu meinen Themen komme, ist umgehend beantwortet. Die kommen zu mir. Nehmen mich in Beschlag. Machen mich neugierig und oft sehr nachdenklich. Vor allem lösen sie bei mir diesen starken Wesenszug, einer intensiven Wahrnehmung aus .

Das Thema Gesundheitspolitik schlich sich bei mir über Halsschmerzen ein. Und zwar an einem Montag im Februar 2007. Als ich beim Hausarzt in das Behandlungszimmer gerufen wurde, musste dieser wegen einem Telefonat kurz hinaus.

Der PC stand schräg, dass ich auf den Bildschirm sehen konnte. Dann machte es „klick“ und unübersehbar lief ein Band mit dem Text: „Die Behandlungszeit für diesen Patienten ist abgelaufen.“ In dem Moment kam der Arzt zurück und sah meinen staunenden Blick, immerhin hatte die Behandlung noch gar nicht begonnen.

Mit einem Griff auf die Tastatur ließ er das Laufband verschwinden. Seine Erklärung: „Das sind die Auswirkungen der Gesundheitsreform“ langte mir nicht. Meine Neugier war geweckt. Ich fragte, welche Ziele diese Gesundheitsreform hat und was es für uns als Patienten bedeutet? Um mir das zu erklären müsste er bei uns Zuhause vorbeikommen. Meine Halsschmerzen wären fast untergegangen, wenn sie sich nicht beim Schlucken über diese Erfahrung gemeldet hätten. Ich ging aus der Praxis mit einem Rezept und dem schlechten Gewissen Zeit in Anspruch genommen zu haben, die mir laut Berechnung eines Softwareprogrammes nicht zustand.

Zwei Tage später stand mein Hausarzt mit einem Kollegen vor der Tür. Der Grund war zumindest offiziell kein Hausbesuch. So habe ich von zwei Ärzten, an einem Mittwoch im Februar 2007, die erste Lektion in die ärztliche Berufspolitik erhalten. So schmuddelig wie an diesem Tag das Wetter, waren die Informationen. Als freiwillig gesetzlich Versicherte tauchte ich ein, in eine überbürokratisierte, mit Regularien, Vorschriften, bis hin zu Strafandrohungen überladenen Berufswelt. Von der, dies ahnte ich am Ende dieses Tages, kein Patient/Patientin eine Ahnung hatte.

Zu all den Informationen passte nun dieses Laufband, mit den zeitlichen Vorgaben einer ärztlichen Behandlung. Ich habe mich über Wochen in die Unterlagen eingelesen, die mir zum theoretischen Nachhilfeunterricht über die Zusammenhänge und Abhängigkeiten von Kassenärzten übergeben wurden. 

Es kam zu einigen Treffen mit Ärzten aus der Region. Mein Staunen, weshalb Kassenpatienten von diesen Hintergründen fast nichts wissen, geschweige denn ahnen, wurde von dem Wunsch abgelöst, dies zu ändern und öffentlich zu machen.

Bereits zwei Monate nach dem besagten Arztbesuch, nämlich am 6. April 2007 saß ich in einem Omnibus in Richtung Nürnberg zu einer Protestveranstaltung der Ärzteschaft in der Meistersinger-Halle. Zeitgleich ist es mit Hilfe meiner Freundin Ingrid gelungen am selben Tag unsere Webseite patient informiert sich.de mit meiner ersten Pressemitteilung zu dem Thema online zu schalten.

Die bis auf den letzten Platz besetzte Meistersingerhalle glich einem mit Frust und Wut gefüllten Pulverfass. Bis heute spüre ich diese Stimmung. Auf der Bühne Ärztefunktionäre und die damalige bayerische Gesundheitsministerin Stewens CSU. Aufgrund der zwei Monate, in denen ich mich ausschließlich mit dem Thema Gesundheitswesen auseinandersetzte, wusste ich die politischen Rechtfertigungen vonseiten der Ministerin einzuschätzen. Und ich positionierte mich öffentlich, in dem ich aufgestanden bin und im Namen von uns Patienten/Innen unsere Solidarität mit der Ärzteschaft aussprach.

Das sind in diesem Monat 17 Jahre her. Die Rückblicke auf diese Vorgänge sind notwendig. Denn nur so ist nachvollziehbar, wenn ich sage: Ich erlebe nun als chronisch erkrankte Patientin, wie meine jahrelang vorgetragenen Warnungen vor den Systemfehlern und deren Folgen, die ich zwischen zwei Buchdeckel von vier Büchern aufgeschriebenen habe, zur Realität wurden.

Wenn ich nun, nicht nur mein eigenes Patientenleben als Abrechnungsziffer – ohne WENN und ABER – mit einer Menge Energie öffentlich mache, wird dies getragen von der Hoffnung, diesem üblen Monopolyspiel im Gesundheitssystem, die Würfel zu entziehen! RH

Forstsetzung folgt

Teil 2 Schlüsselerlebnis und die Folgen Read More »

Teil 1 Wer wagt gewinnt

Die Aussage von Marie von Ebner-Eschenbach: „Der Zweifel an die Siege entschuldigt nicht das Aufgeben des Kampfes“ passt zu meinem Gefühl. Ja, es ist geradezu zum Verzweifeln, wie Arzt, Pflegepersonal und Patienten sich gleichermaßen einer Entwicklung anpassten, ohne den Systemfehlern im Gesundheitswesen massiv die Stirn zu bieten. Ich komme nicht klar mit dem Mangel an Solidarität, der zur Folge politischen Fehlentscheidungen Tür und Tor öffnet. Zu lange hatte ich Geduld und hoffte es würde sich etwas ändern. Rechtfertigungen, in denen erklärt wird, „man“ fordere von der Politik Änderungen, langweilen mich. Ich habe keine Geduld mehr, mit Leuten, die meine Geduld nicht verdienen.

Wer gedacht hat, in der Gesundheitspolitik würde sich mit Karl Lauterbach etwas zum Positiven ändern, wacht spätestens bei den Luftblasen zur Krankenhausreform und dem Gesundheitsversorgungs- Verbesserungsgesetz auf! Wer schon länger dieses Gesundheitsmonopoly kennt, weiß – ohne dass Er oder Sie am Spiel beteiligt ist – welche Entwicklungen in Lauterbachs Amtsführung möglich sind. Seit nunmehr 17 Jahren habe ich einiges erlebt, was meine Meinung über Unehrlichkeit und ungehaltene Versprechungen in der Gesundheitspolitik festigt! Der Tag, als die SPD Karl Lauterbach zum Gesundheitsminister ernannte, war jedoch für mich nicht nur einer der Schwärzesten, sondern die Bestätigung, dass meine Warnungen gerechtfertigt waren und der schlafende Riese Patient die negativen Folgen erleben wird. Nach dem Motto, die Geister die gerufen werden, wurde und werde ich nun als Patientin gezwungen, in der Realität zu erleben, vor der ich über Jahre klar und unmissverständlich warnte.

Nur gehöre ich nicht zu denen, die widerspruchslos die Folgen von Systemfehlern erdulden! Deshalb mache ich sie auf, die große Türe, hinter der Fehlentscheidungen, durch falsche Angepasstheit geparkt sind.   

Fortsetzung folg! RH

Teil 1 Wer wagt gewinnt Read More »