Familie

Briefeschreiben eine vergessene Kunst?

Diese Kolumne wurde von mir 1988 für ein Freizeitjournal geschrieben. Heute möchte ich sie noch einmal veröffentlichen. Der Grund sind Reaktionen von Altenheimbewohnern, die aufgrund der Corona bedingten Kontakteinschränkungen, nicht nur massiv vereinsamten. Bei den Recherchen zu meinem Buch „Erbschleicher § sonstige Verwandte“ kam ich u.a. in verschiedenste Altenheime. Habe viel erfahren über den familiären Umgang mit „Alten“!! Immer wieder habe ich den Gedanken gehört, doch nur eine Last zu sein. Überflüssig zu sein. Durch die problematischen Bedingungen im Pflegebereich, lies sich dieser Gedanke auch nicht einfach auflösen. Spontan hatte ich, nachdem Kontaktverbot im März 2020 angefangen an die Altenheimbewohner, mit denen ich im direkten Kontakt stand, Briefe zu schreiben. Manchmal gelang es sogar, über diesen Weg dieses familiäre „Vergessen“ auszubremsen. Nachdem mir Altenpfleger und Altenpflegerinnen über die positiven Reaktionen berichteten, wusste ich, meine Gedanken in der Kolumne von 1988 haben selbst in der digitalen Zeit noch Gültigkeit. RH

Briefeschreiben – eine vergesse Kunst?

 „Schreiben – das ist etwas für Regentage“, hat mir ein Unternehmer gesagt. Im Gegenteil, ich finde schreiben lässt sich auch gut anstrahlenden Sonnentagen, wenn man den Wunsch hat, anderen Menschen etwas mitzuteilen. Schreiben ist auch etwas für friedliche Abende. Tatsächlich sind Brief schreibende Menschen dünn gesät.

Weil sie zu beschäftigt sind? Oder weil sie verlernt haben, Dingen Ausdruck zu verleihen, auch in Schriftform ist dies möglich – oft leichter und besser. Ich habe schon immer gerne Briefe geschrieben – für mich waren und sind es – festgehaltene, frankierte und abgeschickte Gedanken.

Korrespondenz ist für mich in erster Linie eine Möglichkeit, Gedanken zu offenbaren, durch meine Fingerspitzen abzuleiten, was in meinem Herzen verschlossen ist, in jedem Wort ganz ich selbst zu sein. Post ist auch oft der Kitt, der weit verstreute Freunde und Bekannte zusammenhält. Und was die Freunde anbelangt – was wäre ohne Briefwechsel heute von manch einer Freundschaft noch übrig?

Vor allem sind Briefe ein Vergnügen, für beide Seiten, den Empfänger genau wie für den Schreiber. Wenn ich mit lieben Worten auf Menschen zugehe, lasse ich den Alltag hinter mir. Ich steige in andere Gefilde und das tut gut. Probieren Sie es auch einmal, lassen Sie Ihren Gedanken und Gefühlen freien Lauf, lassen Sie sich fallen und reden Sie über das Papier mit dem anderen. Welch ein wunderbares Geschenk ist doch ein Brief!

Selbst der Umschlag kommt mir wie eine Geschenkverpackung vor, die Art wie er verschlossen ist, die Anschrift, die zeigt, dass er für eine bestimmte Person gedacht ist und alle anderen ausschließt. Ein Brief wird wie ein Geschenk ohne Verpflichtung überreicht. Er ist lediglich ein Vorschlag. Es liegt am Empfänger, ja oder nein zu sagen – und an einem Selbst, einen so schönen Brief zu schreiben, dass der Empfänger für die Zeit des Lesens innehält. Den Alltag vergisst und eintaucht in aneinander gereihte Buchstaben. Lernen Sie zwischen den Zeilen zu lesen.

Beim Briefe schreiben ist man mit sich selbst allein und lässt seine Gedanken wandern, hält Zwiesprache, ohne gestört zu sein. Deshalb lesen Sie, wenn sie ein Brief erreicht, jede Zeile gut, denn sie birgt viel von der Persönlichkeit und dem Gefühl des Schreibenden, der sich Zeit nimmt für Sie. Außerdem kann das Schreiben und Lesen viel abbauen. Den Stress eines anstrengenden Tages, den Ärger über etwas Erlebtes. Der Brief schreibende wie der Brief lesende verschenken sich gegenseitig Zeit. Ein kostbares Gut! Aus Briefen kann sich ein Dialog entwickeln, der beiden hilft, sich auch als Mensch wahrzunehmen. Außerdem setzt sich jeder der einen Brief schreibt, ja auch mit sich selbst auseinander, gerade in der heutigen Zeit fehlt das vielen Menschen, aber bedenken Sie, wer versucht, vor sich selbst zu fliehen, der nimmt sein Gefängnis mit.

Selbstvergessen habe ich Ihnen nun von meiner Freude am Schreiben erzählt, vielleicht probieren Sie es selbst einmal aus und erleben dabei die Freude beim Schreiben, aber auch die Freude, wenn eine Antwort ins Haus flattert. Ich wünsche Ihnen viele schöne Briefe, Zeilen, die aus dem Herzen kommen und dabei auch viele schöne Kontakte, über die hoffentlich von Ihnen nicht vergessene Kunst des Briefeschreibens.

 Ihre Renate Hartwig

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Kommunikationschwäche und Feigheit!

Mal eine Geschichte, zu dem von mir immer wieder kritisierten Charakterzug Kommunikationsschwäche und Feigheit! Es war am Mittwochabend ca. 22 Uhr 30, als mein Mann kopfschüttelnd aus der Toilette kam. Er hörte, dass irgendetwas über die unser Haus umgebende Mauer, geschmissen wurde. Nachdem es schon vorkam, dass uns über diesen Weg auch junge Katzen oder einmal ein Igel „geschenkt“ wurde, sah mein Mann gleich nach. Er kam mit einer nassen Einkaufstüte zurück. Na ja, wer denkt, dass ist nicht gerade eine aufregende Mitteilung – dann stimmt es nur teilweise. Der Inhalt überraschte uns doch sehr. Ein Kalender für das neue Jahr, nein kein normaler, sondern einer den wir jedes Jahr von unseren Kindern bekommen mit Fotos unserer Enkelkinder. Das Kuvert in Bern aufgegeben, kam jetzt über den Zaun geflogen. Der Inhalt kam von unserem ältesten Sohn, der mit seiner Familie in der Schweiz lebt. In der durchnässten Tüte lag auch ein Brief unserer Schweizer Enkelkinder. Keine Verpackung, kein Hinweis von wem die an uns gerichtete Post kam. Nur der Kalender und der Brief. Aufgrund der Größe (Dina 3) musste es persönlich abgegeben worden sein. Kurz um, der Briefzusteller hat es jemanden falsch zugestellt, derjenige hat es geöffnet und gespannt, oh, dumm gelaufen war gar nicht für mich. Legte es auf die Seite und wartete, eventuell darauf, dass sich das Kuvert selbst auf den Weg zu uns macht. Immerhin wurde es bereits im Dezember versendet. Was mich dabei nervt, ist die in dem ganzen Vorgang versteckte Feigheit. Ist doch nichts dabei, kann passieren, dem Postler genau wie dem, der es fälschlicherweise bekommen hat. Nur, weswegen klingelt man nicht, ruft nicht an und sagt….sorry, dumm gelaufen, habe fälschlicherweise Post an euch bekommen und ohne genau hinzusehen aufgemacht. Schöner Kalender und tolle Fotos der Kinder….! Nein, einmal mehr jemand, der das Sprechen überflüssig findet und zu feige ist um für etwas hinzustehen.

Auch wenn das jetzt vielleicht für manche nicht schlimm ist. Aber aus vielen kleinen Feiglingen und deren Feigheit entsteht eben genau sehr oft der große Mist, der uns alle zu schaffen macht! RH

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