Abrechnungsziffer

Systemfehler trifft auf Gier

Fortsetzung Nr.8: Patientenleben als Abrechnungsziffer

In der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) vom 28.08.2024 stand als Thema des Tages: „Mehr als die Hälfte der Deutschen sind überzeugt, dass die medizinische Versorgung schlechter wird.“

Dies kann ich in doppelter Hinsicht unterschreiben. Seit 17 Jahren beschäftige ich mich als Autorin mit dem Gesundheitssystem. Warne unmissverständlich vor den Folgen der Systemfehler. Erlebe nun inzwischen hautnah als chronische Schmerzpatientin (CS) wie meine Warnungen zur Realität wurden.

Ein Extremfall beleuchtet die Situation.

Der Arzt Sintschikins machte sich auf den Weg in das System und erwarb einen Kassensitz. Sehr schnell erkannte er, die Kassenpatienten nur einer Praxis erfüllen weder seinen Lebensstil noch seinen Traum sehr reich zu werden.

Deshalb startete er eine Einkaufstour bei Hausärzten, die einen Nachfolger suchten und ihren Kassensitz zum Verkauf anboten. Masse statt Klasse. Er kaufte nacheinander vier Kassensitze und besetzte sie mit angestellten Ärzten/Ärztinnen. Ganz schnell wurde daraus ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) eingetragen als Elklinik GmbH.

Nur das mit dem Traum schnell reich werden, funktioniert mit den knappen Budgets und den Abrechnungsziffern bei Kassenpatienten eher nicht. Dazu kommt der Bürokratismus mit der Pflicht der Dokumentation. Die wiederum macht den Arzt zum „Buchhalter“ der jonglieren – oder tricksen muss – um in die, ihm vorschwebende Gewinnzone zu kommen. Was zählt sind die eingelesenen Gesundheitskarten zu Beginn eines Quartals. Dafür gibt es eine fixe Summe (ca.48 €) pro Quartal. Das ist die feste Summe mit der das Unternehmen Arztpraxis pro Patienten und Quartal rechnen kann. Dazu kommt eine Flut von Abrechnungsziffern, für jede einzelne Behandlung, die über diese Ziffern abgerechnet wird. Und Achtung, betriebswirtschaftlich betrachtet, ist wichtig das der Kassenpatient/ klar auch die Kassenpatientin, pro Quartal erscheint und die Karte eingelesen werden kann. Und wenn möglich, pro Quartal ja nicht zu viel Medikamente oder Physiotherapie usw. benötigt werden, denn hier liegt die Gefahr des Regresses. Das Totschlagargument von jeder Praxis gegenüber dem Kassenpatienten.

Über diese Systemfehler der Abrechnungsmodalitäten, habe ich nicht nur lange recherchiert und viele Seiten in meinen Büchern gefüllt, wie jahrelang intensive öffentliche Aufklärung betrieben und die Probleme zur Diskussion gestellt. 

In unserer Nachbargemeinde Elchingen trafen nun Systemfehler auf Gier mit fatalen Folgen.

Für mich ist nun mal einer der herausragenden Systemfehler, das komplizierte über Ziffern aufgebaute Abrechnungssystem bei gesetzlich Versicherten.

Kein Patient/Patientin hat auch nur eine Ahnung, was der Arzt für seine ärztliche Behandlung bekommt. Auch nicht welche Behandlungen gegenüber der Kasse abgerechnet werden. Im Gegensatz bei Privat- Versicherten. Da gibt es eine Rechnung auf der die Behandlung klar ersichtlich, mit dem Betrag in Euro steht.

Der Arzt Konstantin Sintschikins sorgte schon öfter für Schlagzeilen in den regionalen Zeitungen. Als er seine Luxusvilla zum Verkauf von mehreren Millionen angeboten hat, oder sich mit einer Harley ablichten ließ. Psychologen könnten diese Art der Selbstdarstellung analysieren.

Nur nutzt das weder den ca. 4000 in Stich gelassenen Patienten, noch der 10 000 Einwohnergemeinde Elchingen, die jetzt ohne Hausarzt ist.

Auch die 20 Angestellten der vier Praxen, die trotz verschleppten Gehaltszahlungen ausharrten, gehören zu den Geschädigten. Genau wie die Apotheke vor Ort und der Physiotherapeut, denn kein Arzt in der Region, ergibt kein Rezept. 

Durch nicht bezahlte Sozialversicherungen kam auf, wie der Arzt und Inhaber der Elklinik GmbH sich die Systemfehler zunutze machte. Mit enormer krimineller Energie baute er sich ein Abrechnungsmodell, in dem so mancher der behandelnden Patienten/Innen staunen würden was alles über ihn/sie abgerechnet wurde. Zwar wurde er Anfang Juli wegen Abrechnungsbetrug und Fälschung für ein Jahr und drei Monate auf Bewährung und 10 000 € verurteilt, für mich sind da jedoch noch große Lücken wer dieses Konstrukt und den Lebensstil über eine solange Zeit mitgetragen und mitfinanziert hat?? Die GmbH Insolvenz ist eröffnet, um die noch teilweise unbezahlten Rechnungen der Handwerker für seine Luxusvilla, sowie alle weiteren finanziellen Abwicklungen kümmert sich nun die Insolvenzverwalterin.    

Gier frisst Hirn und (falls vorhanden) Charakter….

So könnte ebenso eine Überschrift lauten. Trotzdem sind für mich in diesem Fall die Systemfehler in unserem Gesundheitswesen mit Händen zu greifen. Wenn bei Abrechnungen Ziffern auftauchen, die eine 24 Stunden Behandlung über Tage ergeben, hätte schon längst etwas auffliegen müssen. Da sind für mich auch noch einige unbeantwortete Fragen, was die Kassenärztliche Vereinigung betrifft. Diese vergibt nicht nur Kassensitze, sondern über sie laufen auch die Abrechnungen!!!

Der Mediziner verweigert inzwischen seine Unterschrift um den Kassensitz neu besetzen zu können. Nicht nur, dass er seine ca. 4000 Patienten im Stich ließ, er bestraft eine ganze Gemeinde mit ca. 10 000 Menschen, die nun ohne Hausarzt ist. Es passt zu ihm, wie er sich in die Schweiz abgesetzt hat und dort als angestellter Arzt in einer Praxis arbeitet. Unklar bis heute ist, ob er seine Approbation behält. Ihm dürfte das egal sein. Denn ohne leitende Funktion ist diese nicht immer Voraussetzung um in der Schweiz als Arzt arbeiten zu können.  

Fortsetzung folgt

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Mein Begleiter „Sir Schmerz“

Fortsetzung Nr.7: Patientenleben als Abrechnungsziffer

So schnell bin ich nicht sprachlos. Als jedoch unterschiedliche Spezialisten sagten, dass meine chronischen Schmerzen nicht sein müssten, hat es mir erst einmal die Sprache verschlagen. Was sollte ich mit dieser Erkenntnis anfangen? Durchatmen, nachdenken und nachfragen!? Viel besser war die Folgeerklärung auch nicht. „Man“ hätte vor 10 Jahren mit der gezielten Behandlung beginnen müssen. Da war er wieder dieser Herr „Man“ dem laufend mit seinen Partnern „Müsste“ und „Hätte“ ein Versäumnis zugeschoben wird. Erstens, als Verursacher der IST Situation und in der Folge, dem Risiko einer OP.

Da fiel mir sofort Goethes Tragödie „Faust“ erster Teil ein, als Faust allein im Zimmer stand und sagte: „Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor“

Ich erlebte zwar meine Tragödie sitzend im Sprechzimmer eines   Neurochirurgen, bei dem ich mir die berühmte zweite Meinung einholte. Nachdem CT und MRT war klar, entweder sehr riskante OP oder lernen mit den Schmerzen zu leben. Eingestuft als CS (chronischer Schmerzpatient) fragte ich nicht mehr weiter. Diese Abrechnungsziffer bedeutet auf ärztlicher Seite, pro Quartal sicheres Einlesen der Gesundheitskarte. Es stehen an, Rezepte für Schmerzmittel und Physiotherapie. Da ich aber zu denjenigen gehöre, die mehr naturärztliche Behandlung bevorzugen, tauge ich auch noch als gute Kundin für eine Bandbreite von individuellen Gesundheitsleistungen, umgangssprachlich IGEL genannt! 

Seit vielen Jahren ist nun an meiner Seite „Sir Schmerz.“ Im englischen Sprachraum ist „Sir“ eine höfliche Anrede, insbesondere gegenüber Respektpersonen. Und ganz klar, Respekt habe ich vor meinem „Sir Schmerz.“ Er bestimmt einen Teil meines täglichen Lebens. Lass ich meine mühsam erlernten Übungen schleifen, zeigt er mir umgehend wer das Sagen hat. Wenn er sich zurückzieht, ist es seine Art mich zu loben. Inzwischen haben wir uns arrangiert. Achten uns gegenseitig und zusammen mit meinem besten Freund dem „Willen“ meistern wir das Leben als CS!

Die mehrfache Aussage, vonwegen gezielte Behandlung vor über einem Jahrzehnt verpasst, lies mir keine Ruhe. Da ich schon ganz andere Fakten hinterfragte, in die Tiefe recherchieren mein tägliches Brot ist, legte ich diese Aussage „man“ und „hätte“ als Messlatte fest und begann mit der punktgenauen Dokumentation über meine ärztlichen Behandlungen in den letzten 10 Jahren. Kam schnell an den Punkt, welche Folgen akzeptierte Systemfehler, vonseiten der Ärzteschaft, für die Patientenschaft nach sich ziehen. So begann eine sehr persönliche, spannende Reise in die Tiefen des Gesundheitssystems.

Fortsetzung folgt

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Patientenleben als Abrechnungsziffer

Teil 4: Alter Wein in neuen Schläuchen

Gut platziert hängen sie für uns in den Wartezimmern, die Plakate, auf denen die Rechtfertigung steht, weshalb wir gesetzlich Versicherten solange u.a. auf einen Arzttermin warten müssen!

Die KVBW (Kassenärztliche Vereinigung Baden- Württemberg) formuliert für die Ärzteschaft:

„Erstklassige Behandlung MACHEN WIR!

Schnelle Termine: KÖNNEN WIR LEIDER NICHT IMMER ANBIETEN

Die Mittel für die medizinische Versorgung sind von der Bundesregierung gekürzt worden. (..)

Auf weiteren Plakaten vom MEDI Verbund Baden-Württemberg, (einem Zusammenschluss von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und Psychotherapeutinnen und – Therapeuten aller Fachrichtungen) ist zu lesen:

„Wir kämpfen für Ihre medizinische Versorgung- Machen Sie mit!

Ihre Wartezeiten für Arzttermine werden immer länger?

Ihre Ärztinnen und Ärzte haben leider immer weniger Zeit für Sie?

Sie erreichen Ihre Praxis telefonisch nicht mehr?  

Sie haben Probleme, Ihre Medikamente zu bekommen?

Sie finden gar keinen Arzt, keine Ärztin mehr?

Die Politik hat dazu beigetragen, dass sich die ambulante Versorgung drastisch verschlechtert hat. (…)

Es ist dasselbe Ziel, dass Sie und uns verbindet. (..)

Ihr Praxisteam

Das ist Lügen durch Weglassen!

Denn die Wartezeiten, um einen Arzttermin zu bekommen liegt nicht an „der Politik“ sondern ausschliesslich an der Entscheidung von Gesundheitsminister Lauterbach SPD.

ER war es, der der Ärzteschaft Geld, nämlich in Form einer Abrechnungsziffer, die von seinem Vorgänger Spahn CDU für die Aufnahme von neuen Patienten/Innen eingeführt wurde, gestrichen hat. Heißt im Klartext: Da die Ärzteschaft dieses Geld nicht mehr bekommt, wird eben kein neuer Patient/Patientin aufgenommen. Man schiebt den Termin weit hinaus. Hier liegt der wahre Grund weshalb wir Kassenpatienten gigantische Wartezeiten haben.

Hier ein Auszug aus den KV Unterlagen:

(..) Regelung als Anreiz neue Patienten aufzunehmen

Die Neupatientenregelung wurde vor drei Jahren mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz eingeführt. Ursprünglich ist vorgesehen, dass die Krankenkassen zusätzliche Finanzmittel bereitstellen müssen, damit Versicherte schneller einen Termin bekommen beziehungsweise einen Facharzt konsultieren können. Leistungen für die Behandlung von Patienten, die erstmals oder erstmals seit mehr als zwei Jahren wieder in der jeweiligen Arztpraxis behandelt werden, sollten in voller Höhe vergütet werden. (..)

Genau diese Unzufriedenheit in der Ärzteschaft und die Folgen für uns Patienten, haben mich 2007 dazu gebracht in die Tiefen der ärztlichen Berufspolitik einzusteigen. Fast identisch, wie vor 17 Jahren, sind die Unzufriedenheitsbekundungen der Ärzteschaft, was die Bezahlung betrifft, die sie für die Behandlung von Kassenpatienten bekommen. Teilweise ist der ärztliche Frust und die Entwicklung für uns als Kassenpatienten, wortwörtlich in meinen Büchern über das Gesundheitssystem und in meinem Blog dokumentiert. Leider handelt es sich bei den jetztigen Beschwerden der Ärzteschaft um „neuen Wein“ in „alten Schläuchen“ Nichts hat sich geändert! Als Privatpatient bekommt man nach wie vor umgehend einen Termin. Als Kassenpatient wirst du, wenn du einen Termin bekommen hast, immmer öfter, ähnlich wie beim Haustürengeschäft, mit individuellen Gesundheitsleistungen (IGEL) „versorgt“ um die finanziellen Lücken in der Arztpraxis zu schließen!! Ergo: es hat sich nichts geändert, nach wie vor sind wir es als Kassenpatienten, die den Frust der Ärzte ausbaden!  

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