Healthways ist der größte Anbieter von Betreuungsprogrammen für chronisch Kranke in den USA. Das Unternehmen ist in Deutschland angekommen und bietet seine Dienstleistungen für Versicherte Deutschen Krankenkassen an.
Healthways fungiert als Dienstleister, etwa im Auftrag einer Krankenkasse – in Bayern und Baden-Württemberg schloss die DAK einen Vertrag mit Healthways. Nur bei Anruf spricht der Patient – statt mit seiner Krankenkasse wie der Anrufer angibt – mit dem Personal von Healthways! Der Kranke bekommt online abrufbare Informationen zur Verfügung gestellt; ein Betreuer ruft den chronisch Erkrankten regelmäßig an. Der Spaß heißt in Fachterminologie „telefonbasierte medizinische Betreuung“ und ist in den USA seit langem üblich. Für Wirtschaftsminister Ulrich Junghans ist das nur der Beginn einer neuen Ära im Gesundheitswesen: „Die Life-Sciences-Branche in Berlin- Brandenburg hat sich zu einem Markenzeichen der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg entwickelt. Healthways wird dazu beitragen, dass diese Marke noch stärker wird. Ich bin froh darüber, dass es gelungen ist dieses weltweit agierende Unternehmen von einem Standort in Brandenburg für sein erstes deutsches Servicezentrum zu überzeugen. Dass die deutsche Zentrale dieses Globalplayers auf dem Gebiet der Life Sciences in Henningsdorf entsteht, ist ein schöner Anfangserfolg“.
„Invest in Germany“ (Im Aufsichtsrat: Bundeswirtschaftsminister Michael Glos) sowie die Vorgängerorganisation, „Industrail Investment Council“ (IIC), begleitete den Ansiedlungsprozess von Healthways. Die Standort- Marketinggesellschaft der Bundesregierung war bei der Auswahl eines Standortes behilflich. Elmar Horn, Seniormanager bei „Invest in Germany“ und Projektleiter der Healthways-Ansiedlung nennt es so: „Dienstleistungen in Gesundheitswesen, wie Healthways sie anbietet, haben in Deutschland großes Potenzial. Diese Investition markiert den Anfang einer wachsenden Zahl von Dienstleistern in dieser Branche. Sie unterstützen chronisch Kranke und verbessern die Behandlungsergebnisse für den Patienten. Gleichzeitig ermöglichen sie den Krankenversicherungen eine noch effiziente Arbeit. Deutschlands demografische Entwicklung macht eine Ausweitung patientenbezogener Investitionsbedingungen am Standort Deutschland sehr attraktiv für Unternehmen.“
Man sieht: Healthways wurde von den staatlichen Fördergesellschaften geradezu der rote Teppich ausgelegt. So hat auch die Wirtschaftsfördergesellschaft des Landes Brandenburg, die Zukunftsagentur Brandenburg GmbH (ZAB), die helle Freude daran, dass sich dieses amerikanische Dienstleistungsunternehmen in Deutschland etabliert. Für Dr. Detlef Stronk ist die Eröffnung des Service Zentrum von Healthways mit Sitz in Nashville im USA-Bundesstaat Tennessee das Ergebnis einer klugen Förderpolitik. „Was Unternehmen anzieht, sind qualifizierte und bezahlbare Arbeitskräfte sowie die Unterstützung der öffentlichen Hand.“ 100 Arbeitsplätze, am Horizont sogar 250! Dass es so was noch gibt, eine Boombranche! Da kann man schon einmal das Hirn abstellen.
Der Wirtschaftsminister sieht die neu geschaffenen Arbeitsplätze, bucht sie für sich als politischen Erfolg. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft, die so genannte Zukunftsagentur, sieht ihre Vorteile in der Unterstützung regionaler Struktur durch die öffentliche Hand. Die DAK, eingeschnürt in das politische Gesetzesgestrüpp, handelt durch den Druck, den ihr das Wettbewerbsverstärkungsgesetz bereitet hat. Und wo bleibt der Mensch? Wo bleiben wir als Patienten und Bürger?
Ich habe für mich das Wort Bürgerpatient geprägt – weil ich nicht länger ein Objekt bürokratischer Verteilungskämpfe sein möchte. Ich habe eine Stimme, ich habe demokratische Rechte – und ich finanziere das Ganze mit. Ich erwarte Dienstleistung und Transparenz. Ich will wissen, was mit unseren Beiträgen passiert, wie die Kassen sie einsetzen, mit wem sie Geschäftsbeziehungen eingehen, welche Folgen das für uns hat. Eine Politik und ein Funktionärswesen, das permanent von und über uns in subhumanen Kategorien denkt, muss nichtmenschliche Folgen haben. Warum hat die DAK ihren Patienten vor Vertragsabschluss nicht die Möglichkeit der Einsicht oder Mitentscheidung gegeben; man hätte doch per Umfrage eine Patientenmeinung einholen können?
Weil wir als Menschen, Bürger, Patienten dort noch nicht angekommen sind. Man geht mit uns um wie mit stummer, freilich zahlender Verfügungsmasse. Bei einem meiner Vorträge vor Ärzten zum Thema kassenärztliche Vereinigung spottete ich: „Sie müssen aufpassen, dass sie mit ihrer Zwangsmitgliedschaft in der kassenärztlichen Vereinigung nicht ihre eigene Existenzvernichtung finanzieren!“
Vor Callcenter im Gesundheitswesen kann ich nur warnen. Wir finanzieren mit unseren Beiträgen Geschäftsbeziehungen der Kassen (in diesem Fall Healthways/DAK), die exakt das Gegenteil der Wirklichkeit herstellen, die wir als Beitragszahler haben wollen. Wir wollen, dass unser Geld in eine direkte Dienstleistung beim Arzt unseres Vertrauens fließt. Stattdessen fließt unser Geld in eine amerikanische Firma, die uns von Ärzten fernhält. So startete die DAK das Gesundheitsprogramm „DAK – Pro Gesundheit, besser leben!“ Ein extra Team nimmt sich der Sache an, und seit Januar 2008 bekommen Patienten einen Brief von ihrer Kasse, der an Bemäntelung, Schönsprech nichts zu wünschen übrig lässt:
Nach meiner intensiven Beschäftigung mit den Themenkomplexen Gesundheitskarte, Datenspeicherung, Datentransfer, sowie mit den daraus resultierenden Gefahren, gehen bei mir alle roten Lichter an, wenn ich dergleichen lese. Ihre (Gesundheits-) Daten gehen nur Sie etwas an und den Arzt, dem Sie Ihr Vertrauen schenken. Dort werden Sie durch das Arztgeheimnis geschützt. GG § 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das heißt auch: Seine intimsten Daten sind unantastbar! Schlagen Sie jedem auf die Finger, der Ihre Daten will.
Die Kasse hat alles fix und fertig vorbereitet; sie hat sogar schon den Namen, das Geburtsdatum, sowie die Versicherungsnummer eingedruckt. Und was soll der Patient und Beitragszahler noch beisteuern? „Hiermit erkläre ich meine Teilnahme an dem Gesundheitsprogramm ‚DAK – Pro Gesundheit, besser leben’. Die Teilnahme beginnt nach Unterzeichnung dieser Teilnahmeerklärung. Ich stimme der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung meiner Daten zum Zwecke der Programmumsetzung und Auswertung zu. Die Erläuterungen dazu (siehe Rückseite) habe ich gelesen. Diese Erklärung kann ich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Hieraus entsteht für mich kein Nachteil. Datum, Unterschrift des Versicherten bzw. des gesetzlichen Vertreters“.
Na sauber, denke ich, sie haben tatsächlich an alles gedacht, selbst an den gesetzlichen Vertreter. Also gilt dieses Programm auch für Kinder, Jugendliche und Menschen, die nicht mehr selber für sich entscheiden können.
Richtig, Integrierte Versorgung beinhaltet alles! Ich suche wie ein Kriminalist nach dem Motiv, irgendetwas muss ich übersehen haben. Wo bitte steht, dass es die Firma Healthways ist? Nirgendwo. Wenn wir genau hinschauen, dann muss es einen Grund haben, weshalb in keinem der Schreiben der DAK steht, dass der Anruf von Healthways kommt – im Auftrag der DAK! Dies wäre die juristisch einwandfreie Formulierung. In meinem Buch „Der verkaufte Patient“ habe ich im April 2008 geschrieben: Es wird Zeit, dass sich der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung auch um diesen Fall DAK kümmert!
Inzwischen wurden meine Recherchen sogar durch Aussagen eines Mitarbeiters des Dienstleistungsunternehmens bestätigt. Auf einem Aktionstag des Hausärzte Plus e.V. am 14.06.2008 im Kino Mühldorf erläutere Gerhard Eiselen von der Healthways GmbH: „Wir sprechen chronisch erkrankte Menschen an, die entweder eine chronische Lungenerkrankung haben oder Diabetes Mellitus oder eine chronische Herzkrankheit.“ Jemand aus dem Publikum wollte wissen: „Woher wissen Sie, dass die das haben?“ Gerhard Eiselen: „Die Daten, die wir dafür kriegen, kriegen wir von der DAK.“
Na also! Da ist sie ja, die Wahrheit, mit der die DAK auf meine Nachfragen nicht herausrücken wollte. Kein DAK Patient hat bei seiner Unterschrift unter das neue DAK Programm erfahren, dass er durch Mitarbeiter des Dienstleitungsunternehmen Healthways angerufen wird, auch nicht, dass seine Daten an dieses Dienstleitungsunternehmen weitergereicht werden. Für mich ist das arglistige Täuschung des Versicherten. Hier liegt ein wichtiger Ansatz zur öffentlichen Diskussion!
Immer mehr Patienten schicken mir ihre Unterlagen zur Information. Ein Unternehmer im Ruhestand, herzkrank, ruft mich an und bringt es auf den Punkt: „Eigentlich wollte ich die Unterlagen sofort in den Reißwolf stecken. Die halten mich wohl für dumm. Seit Jahrzehnten bin ich bei dieser Kasse versichert. Aber was bitte soll jemand am Telefon besser machen als mein Arzt um die Ecke? Wenn mein Herzschrittmacher Probleme bereitet, dann rufe ich meinen Hausarzt, der kennt mich – meine Krankheit – meine Lebensumstände – und wenn ich kann, bin ich in fünf Minuten bei ihm. Soll ich jetzt in Zukunft im Callcenter anrufen und sagen – mir geht’s schlecht? Ich hab mich mit der Dame am Telefon unterhalten, sie nach ihrer medizinischen Ausbildung gefragt. Wollte wissen, was sie mir über meine Herzkrankheit sagen kann. Was ich essen soll? Dass ich mich bewegen muss? Dass ich auf mich achten muss? Liebes Mädchen, habe ich zu ihr gesagt, das hat mir alles mein Arzt erzählt und ich werde von ihm engmaschig auf Grund meiner Herzerkrankung betreut!
Ich empfinde diese Telefoniererei eher als Störung. Bitte lassen Sie es in Zukunft sein. Ich werde dieses Ding nicht unterschreiben.“ Er hat nicht unterschrieben.
Wilfried Erbe (von der DAK), Axel Munte und Gabriel Schmidt (von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern) , Michael Klein (von Healthways). waren zusammen gekommen um die DAK-Initiative Anfang 2008 vor der Presse kund zu tun. Dr. Gabriel Schmidt (KVB): „Der Gesetzgeber bietet den Krankenkassen nun einmal die Möglichkeit für solche Vorhaben. Deshalb bringen wir uns als Vertreter der Ärzte und Psychotherapeuten…“