(…) Später habe ich auch von anderen Ärzten aus ganz Deutschland erfahren, dass sie diese Serviceangebote in Anspruch genommen haben. Sie erzählten mir, dass die Damen von der Pharmafirma keinen Hehl daraus gemacht hätten, was sie als Gegenleistung erwarteten: eine Bevorzugung von Medikamenten ihres Unternehmens bei der Verschreibung. Später wollte ich mit ein paar Ärzten über diese Gefälligkeitsdienste und deren Folgen diskutieren. Nicht nur, dass es mehr als mühsam war, die damit verbundene Abhängigkeit und Erpressbarkeit zu thematisieren. Auch die vorgebrachten Gegenargumente ließen meinen Adrenalinspiegel bedenklich in die Höhe steigen. In der Runde wurde ich als personifizierte Kassenpatientin angesehen, zwar eine, die sich auskennt, der man aber trotzdem den ganzen Frust über dieses ärztliche Problemfeld «Kassenpatient» an den Kopf werfen kann. Zum Beispiel, dass dieses Aufspüren von versteckten Goldnuggets in der Abrechnung nichts anderes sei, als sich das zu holen, was ihnen zustehe! Als wäre ich verantwortlich für die Überbürokratisierung in den Praxen und den ärztlichen Kassenfrust. Zum Schluss warf ich ihnen meine ganze Wut an den Kopf: «Für mich blitzt bei diesen Gefälligkeitsdiensten das korrumpierende System mit all seinen Widrigkeiten bis hin zur ärztlichen Erpressbarkeit durch!» Danach gingen wir getrennte Wege, und die Herren mussten den Rest des Abends allein verbringen. Das ist nur ein Beispiel für die Geschäftsmodelle, die sich aus dieser wuchernden Bürokratie entwickeln. Was mich ärgert, ist, dass wir durch unsere Kassenbeiträge nicht nur diesen Wahnsinn finanzieren, sondern mittlerweile unser Beitragsgeld an Firmen fließt, die Ärzten diesen Verwaltungsapparat erklären müssen. Ich möchte aber nicht pauschal von «den» Ärzten sprechen. In Deutschland gibt es ca. 140.000 niedergelassene Individualisten. Jeder versucht auf seine Art und Weise, in dem System seinen Schnitt zu machen. Ein anderer Arzt erzählte mir, dass er nur eine bestimmte Zahl von Kassenpatienten behandelt. Grund: Die Kassenpatienten dienen als festes, gesichertes Einkommen. Ist die Zahl erreicht, die seine fixen Kosten abdeckt, nimmt er keine neuen mehr auf. Seinen profitablen Umsatz macht er, so seine Erklärung, mit sogenannten IGeL- Leistungen (individuellen Gesundheitsleistungen), also Behandlungen, die nicht von den Kassen honoriert werden, sondern von den Patienten selbst bezahlt werden müssen. Und mit Privatpatienten! Wenn Sie auf dem Land wohnen, dann können Sie mal überlegen, was es bedeutet, wenn der Arzt in Ihrem Dorf so arbeitet. Wenn Sie leider als der Patient in die Praxis kommen, der über dem Limit der fixen Kostenabdeckung liegt, sind Sie der Depp. Dann können Sie schon mal überlegen, wo Sie in Ihrer Umgebung die nächste Praxis finden. Der Kassenpatient ist so nur noch Mittel zum Zweck. Ein Fall, um die Existenz zu sichern. Ich habe in den Jahren viele Dutzend Ärzte kennen gelernt, von denen ich mich nicht behandeln lassen würde. Schon beim ersten Blickkontakt hatte ich das Gefühl, dass sie im Patienten nur das Geld sehen, das sie verdienen können. Das ist wie bei diesen alten Registrierkassen, die immer «Tschitsching!» gemacht haben, wenn die Geldschublade aufsprang. Und in diesen Arztköpfen macht es dauernd auch nur «Tschitsching!» und noch mal «Tschitsching!». (..)
Fortsetzung folgt –