Krankenkasse

Selbstzahler sind Wunschpatienten!

Nr. 10 – Patientenleben als Abrechnungsziffer

In den Wartezimmern der Arztpraxen sind wir erst einmal alle gleich. Es ist der gesundheitliche Zustand, der uns verbindet. Wir erwarten als Patienten und Patientinnen Hilfe. Manchmal langt auch nur ein Rat, etwas im Leben umzustellen, damit es uns besser geht.

Aus Sicht der Ärzteschaft hat es sich schleichend geändert. Wir sind längst Kunden. Wie wir zu „guten Kunden“ werden, können die Damen und Herren Doktoren bei dem Unternehmen jameda Pro mit Hilfe von 10 Tipps erfahren. Um im Modus Arzt/Patient zu bleiben, wird das Ziel „Wunschpatienten“ genannt. In der Werbeanzeige steht ganz klar um was es geht: Um effektives Marketing, gezielte Strategien um mehr Selbstzahler in den Praxen zu bekommen. Und um mit den bestehenden Kunden den Umsatz zu steigern. Natürlich auch um über den Weg neue selbstzahlende Kunden zu akquirieren!

Damit keine Missverständnisse auftauchen, es geht hier nicht um eine Neiddiskussion. Sondern um einen Klärungsprozess, was wir eigentlich sind. Vor allem wann wir in den Praxen das Privileg „Wunschpatient“ erreichen.

Und da sind wir wieder bei der Klassengesellschaft im Wartezimmer und bei den festgezurrten Systemfehlern!

Da ist einmal der gesetzliche Kassenpatient. Er gehört garantiert nicht in die Liga der Wunschpatienten. Seine Leistungen rechnet die behandelnde Ärzteschaft, nicht direkt mit der gesetzlichen Krankenkasse, sondern über die Kassenärztliche Vereinigung ab. Durch das Vergütungssystem EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) wird der Verdienst für die erbrachte Leistung, erst Monate nach der Behandlung anhand von Zahlen sichtbar. Es sei denn, der Kassenpatient bucht zusätzlich – wenn möglich bei jedem Besuch – eine „Individuelle Gesundheitsleistung“ kurz Igel genannt! Und genau hier befinden wir uns dann auf dem Weg zum Wunschpatienten, indem wir vom Kassenpatienten, immer mehr zum Selbstzahler werden. Wie das geht, entdecken unsere Damen und Herren Ärzte über die von Jameda angebotenen Tipps. 

Dann sind da die Privatpatienten, die sich schon in der Richtung Wunschpatient befinden. Denn hier kann allein durch die Rechnungsstellung dieser Aspekt von ärztlichem Dienstleister und Kunde klar hervorgehoben werden. Hier wird nach GOÄ – der Gebührenordnung für Ärzte – abgerechnet. Dafür gibt es einen Ziffernindex. Dazu kommt die Möglichkeit, erhöhte Gebühren in besonderen Fällen zu berechnen.

Zu dem Standardtarif können Gebühren von 1,7 – bis 3.5-fache berechnet werden. Wer in dieser Liga im Wartezimmer sitzt, kann sich schon als Wunschpatient fühlen. 

Über Jahre und viele Seiten lang, habe ich in meinen Büchern und Vorträgen versucht, für uns als Patienten diese undurchsichtigen Abrechnungsmodalitäten offen zu legen. Nach wie vor sehe ich darin Systemfehler, die nie korrigiert – im Gegenteil – gefestigt wurden!

Daraus entwickelten sich grandiose Geschäftsmodelle. Wie zum Beispiel effektive Marketingkurse um über Selbstzahler, den Umsatz in der Praxis zu steigern!

Was dies für uns Patientenschaft, unabhängig von den immer höher werdenden Selbstzahlungen bedeutet, habe ich leidvoll mit schwerwiegenden Folgen erlebt. Und dass ich kein Einzelfall bin, haben meine intensiven Recherchen im Bereich, chronische Erkrankung, Schmerzpatienten gezeigt. Genau deshalb werde ich, wie immer Ross und Reiter nennen um eine breite Diskussion in Gang zu bringen!

Fortsetzung folgt

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Kasse fordert genaue Messung für Toilettenstuhl

Aufgrund meiner intensiven Recherchen für die Aktion „Courage Ü 60 –Schluss mit Tabuthemen“ und zum Thema „Altersdiskriminierung“  bekomme ich täglich Informationen. Gerade im Gesundheitsbereich zeigt sich die Realität 2023. Vor der aufgeblasenen Verwaltung im Gesundheitssystems, den grandiosen Systemfehlern und den Folgen, warne ich über meine Bücher und Vorträge seit nunmehr 16 Jahren!

In dem hier geschilderten Fall, den ich von einem mir bekannten Arzt bekam, bleibt ungeklärt: Ob mal einer das Gehirn des zuständigen Krankenkassenmitarbeiters ausgemessen hat? Ob evtl. sogar ein Mikroskop benötigt wurde? Diese Frage stellt sich spätestens, nach der Schilderung des Arztes:

„Ich habe eine über 80 Jahre alte demente Patientin, deren Tochter und Enkelin sich um sie und den Haushalt kümmern. Windeln fürs Pipi braucht sie sowieso, sie ist adipös und hyperton. Sie ist völlig hilflos, kaum auf den Beinen, lieb und unkompliziert, tags vor dem TV auf der Couch, nachts im Bett.  Die Familie fragte um einen Toilettenstuhl neben dem Bett. Klar, bei Nacht sind der Weg zur Toilette zu weit, und die Putzerei zusätzlich belastend.

Ich rezeptierte mit genauer Begründung einen Toilettenstuhl wegen Inkontinenz, Sturzgefahr und  Demenz, Intertrigo. Weil die Patientin hinten aber zu breit ist, passt sie nicht auf einen normalen Klostuhl. Ich schreibe deshalb: „extra breit“ auf das Rezept. Nach etwa 10 Tagen kommt die Tochter und sagt, die Kasse möchte eine ärztliche Begründung für die Extragröße.

In stiller Wut ergänze ich das Rezept und vermerke handschriftlich darauf: „Begründung: Weil Patientin einen zu breiten A… hat. Es ist nicht so, dass die ganze Familie auf einmal Platz nehmen möchte“.

Beim Hausbesuch nach vier Wochen sehe ich einen wirklich extra breiten Toilettenstuhl neben dem Bett stehen. Ich freue mich, dass das so anstandslos geklappt hat.

Die Tochter: „Ja was glauben Sie denn Herr Doktor, anstandslos war das nicht! Die Krankenkasse hat uns noch einmal geschrieben und hat die Breite des Hinterns im Sitzen in Zentimetern haben wollen. Da haben wir die Oma nackert auf eine Zeitung gesetzt und rechts und links Kugelschreiber-Markierungen gemacht und das Ganze ausgemessen. Erst dann haben die den Stuhl genehmigt.“

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